Ein anspruchsvolles Buch sucht einen Verlag, der Mut zum Besonderen hat:
Ronit Matalon, Das Geräusch unserer Schritte, Am Oved, Tel Aviv, 2008, 424 Seiten.
Agentin: Nilli Cohen, The Institute for the Translation of Hebrew Literature, E-mail:
litscene@ithl.org.il
„Das Geräusch ihrer Schritte: keine trommelnden Absätze, keine schlurfenden Füße, keine klappernden Pantoffeln oder das Reiben der Sohlen über die Pflastersteine des Fußwegs zum Haus, nein. Die Geräuschlosigkeit ihrer Schritte, die sich verbreitende Furcht vor ihrem Kommen, ihrem „Eintreten“, die absolute, inhaltsvolle Stille, gemessen in Zeiteinheiten von zwölf Minuten, eingeleitet durch das Anhalten des vorletzten Busses, dem eine halbe Stunde vor Mitternacht, aus dem sie ausstieg.
Sie schritt nicht, die Mutter, sie glitt dahin. Mit Spitzengeschwindigkeit, in absoluter, horizontaler Stille, die die waagrechte Stille der Straße durchbrach.
Was trug sie in jenen Jahren überhaupt an den Füßen, welche Schuhe, oder genauer: Womit rüstete sie sich für jenen Kampf, wie, mithilfe wovon. Diese Zweckmäßigkeit bei ihr, bis ins letzte Detail, die Heiligung des Zwecks, der Nützlichkeit. Wie liebte sie das Praktische, die Notwendigkeit. Ihre letzten Schuhe habe ich in Erinnerung, weil ich sie gekauft habe, die ersten, die ersten, an die ich mich erinnere – die weniger.
Ich meine, sie hätte Schnürschuhe vorgezogen.
Etwas Absatz, so drei Zentimeter, nicht mehr. Vielleicht mehr, aber nur ein bisschen.
Ich meine, sie waren braun, oder schwarz.
Wenn sie braun waren, färbte sie sie schwarz. Wenn sie schwarz waren – braun.
Das Braun bekam sie nicht hin, das Schwarz schimmerte durch, übermannte es.
Sie brachte sie zum Schuhmacher, zu Mustaki („wie geht’s, ya Mustaki?“)
Ein paar Mal brachte sie sie zu Mustaki und trug sie eigentlich nicht mehr. („Dieser Mustaki hat so gearbeitet wie seine Visage aussieht.“)
Ich meine, sie ließ sie nicht reparieren, um sie zu tragen, sondern um des Reparierens willen. Um eine Ecke in der Welt sauberzumachen, noch eine Ecke, um ihren Krieg gegen den Verfall der Materie zu erneuern. („Gut, dass wir ihn an der Hand haben, den Mustaki, hat nicht viel genommen.“)
Kleine Füße, Größe 36.
Sie war stolz darauf, auf die Füße, aber im Stillen. Man merkte, dass sie stolz war, sobald sie von anderen Füßen redete, die nicht klein waren. („Die da hat Füße – nächste Größe Kindersarg.“)
Unsere Sorglosigkeit, die Sorglosigkeit derer, die unwissentlich Heiliges entweihen (das „unwissentlich“ macht sie mehr verrückt als das „wissentlich“), ist eine gewaltsame Provokation. Sie greift nicht an, sie reagiert. Die Zerstörung, die sie anrichtet, ob groß oder klein, ist eine Liebeserklärung, ein Treuebeweis. Das ist das Loch.
Am Rand des Lochs wartet das Badezimmer. Das Loch hat keine zeitliche Dimension, nur eine räumliche. Wir wissen nie, wie lange die Sache dauert oder dauern wird, kennen nur ihre räumlichen Ausmaße. In einem bestimmten Moment hört sie auf, lässt alles sein, verschwindet für längere Zeit im Badezimmer, kommt mit gewaschenem Gesicht und gewaschenen Händen wieder heraus, nachdem sie was geschluckt hat, irgendeine Tablette.
Langsam, phlegmatisch beginnt eine andere Ära, die der Blässe.
In dieser langsam eintretenden Blässe, der Blässe ihres Gesichts und ihrer Hände, schlüpft das Haus aus seiner Schale, ist keine Arena mehr und wird zum Heim. Die niedrige Tischlampe wirft einen gebündelten Lichtschein auf die Tischdecke, die Teppichfransen sind fadenscheinig, aber ordentlich. Meine Schwester sucht ihre Pinzette.
Wir schauen sie an, jetzt lässt sie sich anschauen: Vor ihrer Wildheit haben wir uns gefürchtet, vor ihrer Blässe empfinden wir Ehrfurcht. Die Blässe ist ihr zweiter, echter Eintritt ins Haus: Sie setzt sich auf einen Küchenschemel, zieht die Schuhe aus, taucht eine Scheibe Brot in Tee mit Milch. Es ist Essen da, aber sie hat keine Lust darauf. Darauf hat sie Lust: auf Brot von gestern in Tee mit Milch.“
So beginnt Ronit Matalons neues Buch Das Geräusch unserer Schritte, ihr dritter Roman, nach Was die Bilder nicht erzählen und Sara, Sara.
In einem bunten Mosaik tauchen Kindheitserinnerungen auf und ab, Steinchen für Steinchen oder Bild für Bild entsteht das Haus in dem kleinen Ort Gane Tikwa, in dem Ronit Matalon aufgewachsen, zur Schriftstellerin herangereift ist, mit seinen Insassen: Allen voran die Mutter und die Autorin – „das Kind“ – dazu ihr Bruder Sami, ihre Schwester Corinne, die Großmutter Nona, die in einer „Viertelbaracke“ nebenan wohnt. Nachbarn, Handwerker, Arbeitgeber und Arbeitskollegen vervollständigen das Personal.
Mal anrührend, zuweilen drastisch und immer mit feinem Humor erzählt die Autorin vom harten Alltag der Immigrantenfamilie aus Ägypten, die nie resigniert oder sich unterkriegen lässt, obwohl der Vater nur zu Stippvisiten auftaucht.
Wie die vorigen beiden Romane ist Das Geräusch unserer Schritte nichts für den Massengeschmack, sondern etwas für den fortgeschrittenen Leser, der das Besondere sucht.
Die israelische Kritik hat Ronit Matalons Das Geräusch unserer Schritte positiv aufgenommen. Hier ein paar Zitate:
„...ein weises und aufrüttelndes Buch, das Stereotype bricht und voll Liebe steckt.“
Ariana Melamed, Jediot Acharonot
“Die Stärke des neuen Buchs von Matalon liegt in der seelischen und menschlichen Tiefe, die sie unter der biografischen Hülle aufdeckt.“
Doron Koren, ynet
„Das Geräusch unserer Schritte ist ein mitreißender und zu Herzen gehender Roman, und Matalon zeigt sich darin ein weiteres Mal als Schriftstellerin der Wahrheit.“
Prof. Micky Glosman, Universität Tel Aviv
„...eines der wichtigsten Bücher, die hierzulande in den letzten Jahren erschienen sind. Eine echte Leistung.
Maya Sela, Jediot Tikschoret
„In ihrem dritten Roman treibt Matalon ihr ganzes Talent und ihre sprachliche Virtuosität auf einen neuen Höhepunkt.“
Yael Israel, Time Out
“Das Geräusch unserer Schritte ist eine reiche Palette an Gnade, eine außergewöhnliche Palette, wunderschön und aufregend.“
Omri Herzog, Bücherbeilage des Haaretz
„Dies ist eine sichere, meisterhafte Stimme der Erzählkunst und der Romankunst.“
Tamar Mischmar, Iton 77
„Nur wenigen literarischen Werken gelingt es, das Selbst darzustellen und den wenigen Figuren, wenigen Orten, wenigen Dialogen, der wenigen Handlung eine Art Wunderlampe von solch großer Schönheit zu entlocken.“
Yitzhak Laor, Kultur- und Literaturbeilage des Haaretz
Eine längere Leseprobe und ein vollständiges Gutachten stehen auf Abruf bereit.